Politische Köpfe: Der Kümmerer
Julia Ladebeck
Burglesum. In Marßel ist Werner Müller ein bekanntes Gesicht. Und das nicht erst, seit er nach der Wahl im Mai 2019 für die SPD in den Beirat Burglesum eingezogen ist. Sein Netzwerk im Stadtteil hat er schon lange vorher als Vorsitzender der Sportgemeinschaft (SG) Marßel geknüpft. Inzwischen ist der 79-Jährige Ehrenvorsitzender des Sportvereins.
1971 ist der studierte Maschinenbauingenieur in die SPD eingetreten. Auslöser war damals der Kniefall von Willy Brandt, "genauer gesagt die Friedenspolitik der Partei", sagt der gebürtige Frankfurter, der seit 1967 mit seiner Frau im Marßel lebt. Als Unterbezirksdelegierter habe er damals allerdings schnell die Erkenntnis gewonnen, dass er "nicht für die Politik geeignet" ist. "Mir war das alles nicht ehrlich und geradlinig genug. Wenn ich etwas sage, möchte ich es auch umsetzen." Das gilt auch für seine Arbeit im Beirat Burglesum. Werner Müller sieht sich in seiner Funktion als "Kümmerer" für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Vor allem setzt er sich für die ein, denen es nicht so gut geht, die sozial benachteiligt sind. Besonders Grambke und Marßel hat er deshalb im Blick. Das Thema Gesundheit ist ihm dabei besonders wichtig.
Das war schon in seiner Zeit als Personaldirektor bei der Klöckner-Hütte so, als er sich dort für die Gesundheitsförderung und Prävention einsetzte. Und noch mehr in den Mittelpunkt rückte es für ihn als Vorstand der Betriebskrankenkasse Unterweser. In Burglesum, speziell in Marßel, fehlt ein Gesundheitszentrum, findet Müller. Gemeinsam mit Lasse Berger hat er im Namen der Burglesumer SPD-Fraktion vor einigen Monaten einen entsprechenden Beiratsantrag formuliert – der Unterstützung vom gesamten Kommunalparlament erhielt.
Auch das Thema Kinderarmut im Stadtteil will der Vater eines Sohnes und Großvater einer Enkelin angehen. Er setzt stets auf sein Netzwerk, hat über dieses Thema bereits mit der Quartiersmanagerin Katharina Fischer gesprochen. Als Sprecher des Ausschusses für Soziales, Kultur und Gesundheit hat er zudem die Kultur im Stadtteil im Blick. Ihm ist wichtig, die Kultur im Stadtteil zu verteilen, sie auch zu Menschen zu bringen, die nicht selbstverständlich ins Museum oder in Konzerte gehen. Ein Konzert in Pellens Park könnte er sich gut vorstellen.
Ein Tablet-Führerschein für Senioren
Burglesum ist Modellregion für das Projekt „Digital im Alter“ der Seniorenvertretung Bremen
Julia Ladebeck
Burglesum. Nur 30 Prozent der Menschen über 65 Jahren nutzen das Internet. So steht es laut Andreas Weichelt, Vorsitzender der Seniorenvertretung Bremen, im achten Altersbericht der Bundesregierung mit dem Schwerpunkt „Ältere Menschen und Digitalisierung“. Weichelt ist überzeugt, dass es tatsächlich noch viel weniger Senioren sind, die mit digitalen Technologien umgehen können. Das sagt er bei einem Treffen im Vereinsheim der Sportgemeinschaft (SG) Marßel. Die Seniorenvertretung Bremen hat den Bericht aus dem vergangenen Jahr zum Anlass genommen und eine Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen. Ziel ist es, ältere Menschen in Bremen an digitale Kommunikationsmittel heranzuführen. Als Modellregion für das Projekt „Digital im Alter“ (DiA) hat die Seniorenvertretung den Stadtteil Burglesum ausgewählt. Im Vereinsheim der SG Marßel könnte demnächst ein Schulungsraum entstehen.
Der Bericht der Bundesregierung war schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie fertig. Die Lockdowns infolge der Pandemie haben die Bedeutung des Themas aber noch einmal verdeutlicht: Ohne persönliche Kontakte sind viele Seniorinnen und Senioren in dieser Zeit vereinsamt. Insbesondere dann, wenn sie weder mit Smartphones noch mit PCs und Tablets umgehen können. Sie konnten ihre Familien nicht sehen. Und auch der Zugang zu Online-Angeboten blieb ihnen verschlossen, die Kirchengemeinden, Begegnungsstätten und Vereine in dieser Zeit alternativ zu Gruppentreffen organisierten.
„Deshalb ist es bei diesem Thema dringend notwendig, etwas für die ältere Generation zu tun. Damit alle teilhaben können“, bekräftigt Werner Müller. Er ist Koordinator der Arbeitsgemeinschaft bei der Seniorenvertretung Bremen, Ehrenvorsitzender der SG Marßel und er vertritt die SPD im Beirat Burglesum. Durch sein Engagement hat er ein gutes Netzwerk, das er gleich angezapft hat, um möglichst viele Akteure an dem Projekt „Digital im Alter“ zu beteiligen. Neben Ortsamtsleiter Florian Boehlke habe er Vertreter von Friedehorst, der Jacobs University und die Marßeler Quartiersmanagerin Katharina Fischer mit ins Boot geholt, so Müller.
Unterstützung bekommt das Projekt zudem vom Netzwerk Digitalambulanzen, das vom Sozialressort eingerichtet wurde. Das Netzwerk hat eine Umfrage zum Thema durchgeführt und dazu in Bremen 40.000 Fragebögen verschickt. Die Ergebnisse erwartet die Arbeitsgruppe für Oktober. „Das Ortsamtsgebiet Burglesum als Modellregion soll dabei gesondert ausgewertet werden“, erläutert Müller, der sich davon ebenso wie Andreas Weichelt genauere Kenntnisse erhofft, wie viele Seniorinnen und Senioren bereits Smartphones und Tablets nutzen.
Dringenden Handlungsbedarf sieht Werner Müller auch aus einem weiteren Grund: Immer mehr Banken schließen ihre Filialen und setzen darauf, dass ihre Kunden Online-Banking nutzen. „Das ist aber ohne digitale Kenntnisse unmöglich“, betont Müller. Die Arbeitsgruppe der Seniorenvertretung will in der Modellregion Burglesum möglichst praktikable Lösungsansätze finden, die im Idealfall auf andere Bereiche Bremens übertragen werden können.
Burglesum ist laut Weichelt als Modellregion ausgewählt worden, weil in den Ortsteilen von Grambke über Marßel bis St. Magnus alle Sozialstrukturen Bremens vorkommen. „Der Altersbericht zeigt auch, dass es bei der Nutzung digitaler Techniken nicht nur ein Gefälle beim Alter gibt, sondern auch beim Bildungsniveau“, erläutert Müller. Aus diesem Grund müssten benachteiligte Stadtteile wie Marßel und Grambke besonders in den Blick genommen werden. Insgesamt sind in Burglesum ein Drittel der Menschen über 60 Jahre alt, so Müller.
An digitale Technologie heranführen
Nach einer Beratung mit Sebastian Dargel, Koordinator des Netzwerks Digitalambulanzen, hat sich die Arbeitsgruppe dazu entschieden, zunächst ausschließlich Tablets einzusetzen, um Seniorinnen und Senioren an digitale Technologien heranzuführen. Nun wollen die Akteure in einem ersten Schritt interessierte Seniorinnen und Senioren finden, die sich schulen lassen und einen sogenannten Tablet-Führerschein machen möchten.
14 Alten- und Pflegeeinrichtungen hat Müller dafür nach eigenen Worten bereits angeschrieben. „Bisher haben St. Birgitta in Marßel und eine Einrichtung von Friedehorst Interesse bekundet“, so Müller. Auch zu Sportvereinen, dem Heimatverein Lesum und zur Kirchengemeinde in Marßel habe er bereits Kontakt aufgenommen. Heiko Klaus Klepatz, Vorsitzender der SG Marßel, hat einen Raum im Vereinshaus für Schulungen angeboten. „Der soll jetzt entsprechend ausgestattet werden“, so Müller.
Für die Anschaffung von zweimal zehn Tablets wurden Anträge beim Beirat Burglesum und beim Quartiersrat Marßel gestellt. Im nächsten Schritt sollen nun Trainerinnen und Trainer gefunden und qualifiziert werden. Dazu wollen die Akteure Bürger, Schüler oberer Jahrgangsstufen und der Pflegeschule in Friedehorst ansprechen. „Dank der Unterstützung durch das Netzwerk Digitalambulanzen und den Lions Club in Ritterhude gibt es dafür qualifizierte Ausbilder“, so Müller.
Neben den Schulungen möchte die Arbeitsgruppe langfristig im Ortsamtsbereich auch Möglichkeiten für einen fortlaufenden Austausch der Teilnehmer schaffen. „Wir könnten zum Beispiel einen DiA-Treff einrichten“, erläutert Müller die Idee. Die Teilnehmer sollen schließlich auch die Möglichkeit bekommen, ihre Kenntnisse für die Nutzung der Tablets zu vertiefen und die Anwendung unter Anleitung zu üben. „Entscheidend ist, dass die älteren Menschen die Angst davor überwinden, ein Tablet zu bedienen. Wir wollen ihre Neugier wecken“, sagt Müller. Er geht davon aus, dass das Projekt mit ersten Schulungen zeitnah im Herbst starten kann.
Aus "Die Norddeutsche" vom 29.09.2021